Manchmal steht man vor Entscheidungen, vor denen man sich scheut, weil man denkt, dass es dann kein zurück mehr gibt.
Die Realität sieht für die meisten Menschen aber oft so aus, dass es eben doch ein zurück gibt. Wir neigen zur Überbewertung und Überdramatisierung. Und am Ende ist es alles nur halb so wild, und wenn man will, findet man einen Weg zurück.
Tatsächlich sind es eher unvorhergesehene Ereignisse, die das Leben so verändern, dass es kein zurück mehr gibt. Ein schwerer Unfall oder Schicksalsschlag. Ich hab eine Weile darüber nachgedacht, ob es auch positive Ereignisse gibt, bei denen es kein zurück mehr gibt. Aber mir fällt nichts ein. Nichts, wo es wirklich unter gar keinen Umständen möglich ist, wieder in das alte Leben zurückzukehren. Schon komisch. Vielleicht muss ich da noch eine Weile drüber nachdenken.
Im echten Leben kommt sowas also wirklich eher selten vor. Und wenn es vorkommt, ist das meistens auch Stoff für eine packende Geschichte. Ja, jetzt kommen wir langsam an den Kern der Sache und warum ich mir da Gedanken mache.
Packende Geschichten sind ja durchaus gutes Material für einen Roman. Und da haben wir uns ja schon damit beschäftigt, dass man einen guten Plot braucht und Charaktere und so weiter. Dabei gibt es einen wichtigen Punkt zu beachten: wenn wir unseren Hauptprotagonisten auf eine schwierige Reise schicken, so richtig eine zum mitfiebern, muss das zwingend was sein, wo der nicht einfach mittendrin heim gehen kann. Denn sonst ist es total unrealistisch, dass er die Beschwerlichkeiten auf sich nimmt. Und womöglich sein Leben aufs Spiel setzt, et cetera. Er muss einen wirklich, wirklich guten Grund haben, weiterzumachen. Einen Grund, warum er nicht einfach so zurückkann. Völlig ohne Überdramatisierung.
Stellt euch mal vor, der Protagonist steht vorm Abgrund, es gibt nur eine morsche Hängebrücke auf die andere Seite, wo schon jede Menge Löcher drin sind. Der Wind weht kalt und scharf und rüttelt an der Brücke, die dabei erbärmlich quietscht und jammert. Der Abgrund ist so tief und voller Nebel, dass man den Grund nicht sieht. Unser Held wirft einen Stein hinunter und lauscht. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis tief unten, kaum noch zu hören, der Stein hallend den Boden trifft. So, warum sollte jetzt irgendjemand bei klarem Verstand über diese Brücke gehen? Hinter sich hat der Protagonist einen angenehmen Wanderweg, vor sich den fast sicheren Tod. Hm.
Bringen wir nun den Balrog in die Szene, welcher flammend und wütend den Wanderweg hinauf walzt. Da sieht die Sache doch schon anders aus. Das Vieh ist ziemlich groß, schwer und brennt wie verrückt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es über die Brücke kommt und nicht mitsamt dem wackligen Ding in die Tiefe stürzt ist ziemlich gering. Jetzt erscheint der Weg auf die andere Seite für unseren Protagonisten die einzige, wenn auch sehr geringe und unwahrscheinliche Möglichkeit, zu überleben. Er nimmt all seinen Mut zusammen, holt tief Luft, und betritt die wackligen Bretter. Die Brücke knarzt und ächzt, aber hält. Der Balrog kommt näher, der Protagonist spürt die Wärme im Nacken – es gibt kein zurück mehr!
Es muss nicht immer ein Balrog sein, aber ihr wisst, was ich meine. Vermutlich gibt es nur wenig, was einen als Leser mehr nervt, als wenn Helden völlig ohne Not ihr Leben aufs Spiel setzen. Zumindest ich möchte sowas nicht lesen.
Und auch nicht schreiben.